*Wandern für Klugscheißer Wissbegierige

Hallo Nico, auf unserer Tour durch das kleine Norwegen Thüringens lernten wir bereits, dass ein Ort nicht immer dort ist, wo man zu wissen glaubt. Thüringen scheint ein gutes Bundesland für namentliche Doppelgänger zu sein. Nicht nur den Schwarzwald findet man hier, auch München ist nur ein Katzensprung entfernt und Startpunkt unserer Jubiläumsrunde am wohl bekanntesten Lost Place der Region. Jubiläumsrunde, da es Frauchens 100. Tour seit dem 25.08.2019 war, sagte die App. Ich sage, Frauchen wollte einfach nur bestimmen, wo es hingeht. Glückliches Frauchen, bedeutete glückliche Mitwanderer und ein weiterer Grund zum Anstoßen.

Nach dem ersten kleinen Anstieg und die Begeisterung für eines der größten noch erhaltenen Fachwerkhäuser Europas mussten wir ein wenig Luft holen. Diese frische Luft und Abgeschiedenheit inmitten eines kleinen Waldes oberhalb der Stadt waren einer der Gründe für den damaligen Standort. Ein weiterer war die Angst der Bevölkerung vor der gefürchteten Krankheit, die man auch als weißer Tod bezeichnete. Weiß und leblos, so sah die durch Tuberkulose zerstörte Lunge auf einem Röntgenbild aus. 1898 als zweistöckiges Gebäude mit einer Kapazität von 80 Betten erbaut, kam es schnell an seine Auslastung und wurde bereits ein Jahr später um einen zweiten Flügel erweitert. 1911/1912 erfolgte eine weitere Aufstockung um zwei Etagen auf 200 Betten und ist bis heute in dieser Form erhalten.

Der Lungenarzt Prof. Dr. Adolf Tegtmeier übernahm 1934 die Leitung der Sophienheilstätte und sorgte nach Weltwirtschaftskrise und der damit verbundenen halben Belegung wieder für positive Erfolge.
Während des Krieges blieb das Gebäude von Bombenangriffen verschont, wohl auch weil es mit einem riesigen roten Kreuz auf dem Dach gekennzeichnet war. Dr. Tegtmeier verhinderte zudem die Umwandlung in ein Kriegslazarett.
Durch den medizinischen Fortschritt wurden viele Lungenheilstätten überflüssig. 1966, als 5. Herzzentrum der DDR anerkannt und auch die Auslagerung der Orthopädie und Urologie in die Sophienheilstätte konnten den Betrieb auf Dauer nicht retten. 1992 bis 1994 wurden die Abteilungen an einen anderen Standort, der heutigen Zentralklinik Bad Berka, verlegt und das beeindruckende Fachwerkhaus geschlossen.

Dr. Tegtmeier ist heute Ehrenbürger der Stadt Bad Berka und führte als einer der ersten Thüringer Ärzte die Chemotherapie ein. Ende 1966 ging er erst mit 72 Jahren in den Ruhestand und verstarb 1975.
Das Gebäude besichtigten wir nur von außen, sein riesiges Gelände wird uns aber bald zurückkommen lassen, in Form einer offiziellen Fototour, dann auch mit Foto von innen, seid gespannt.

Da wir hiermit nun einen kleinen Teil für alle Wissbegierigen abgehakt haben, führten wir unsere Wanderung fort. Wir verließen das thüringische München, überquerten die Ilm und wanderten oberhalb des Flusses Richtung Tannroda.

Dort erreichten wir nach ca. 5 Kilometern die St. Michael-Kirche mit Burg auf dem 300 Meter hohen Lindenberg. Wir näherten uns der Ruine, dessen Turm man von 9 bis 18 Uhr kostenlos (um Spenden wird gebeten) besichtigen kann. Vom Aussichtssturm hatte man einen tollen Blick auf die kleine Stadt, ich genoss den Anstieg auf Frauchens Arm und war froh, die vielen Stufen nicht selbst laufen zu müssen. Ich sage nur, der Dackel und sein Personal.

Nach ein bisschen Sightseeing nutzten wir die Stühle am Ende des noch erhaltenen „blauen Schlosses“ für ein kleines Jubiläumsmittagessen. Dort verbrachten wir eine gute halbe Stunde, nichts ahnend, dass der anstrengendste Teil noch vor uns lag. Gut gestärkt, mit ein wenig zu viel Essen und einem Fehlkauf in Sachen FLEISCHbällchen im Bauch, wanderten wir die nächsten 3,5 Kilometer über unendliche Felder.

Die App sagte Ilmtalblick, wir sagten „Frauchen wir hassen dich“. Vom Ruhmberg blickten wir ins Tal und auf das Oberschloss Kranichfeld, endlich wieder Zivilisation. Dieses Schloss lag eigentlich auf unserer ursprünglichen Route, aber 1,5 Kilometer mehr mit einem Anstieg von 17 Prozent hätten mich zu einem Scheidungshund gemacht

Kurz vor der Niederburg befindet sich ein Adler- und Falkenhof, dessen Tiere wir nur aus der Ferne bestaunten. Besagte Burg ist ebenfalls eine Höhenburg, die nur zur Unterscheidung, des nicht besuchten etwas höher gelegenen Oberschlosses, diesen Namen erhielt. Dort bogen wir, auch hier ohne Besichtigung, scharf links ab. Eine weitere Ilmquerung konnten wir uns sparen, es gab nur ein Foto der kleinen Holzbrücke, die über den Fluss führte und wir begannen unseren Rückweg. Ohne Abstecher über Felder und fast auf geradem Weg wanderten wir an der Ilm wieder zurück Richtung Tannroda und folgten kurz dem Mühlgraben. Hier befand sich ein zurückgebautes Wehr, es diente der Speisung des Grabens, welches als Energie- und Wasserlieferant für die ehemalige Papierfabrik benutzt wurde.
Frauchen warnte uns, „kurz vor Schluss gäbe es noch einen steileren Abschnitt“, den die Menschen unproblematisch und elegant auf allen Vieren meisterten. Eine letzte kurze Verschnaufpause machten wir an der Wilhelm-Ernst-Hütte. Zur linken befand sich ein Felsen „zum Gedenken an Oberförster Batsch“ und weiterhin meine Idee, auch mir einen Gedenkstein zu errichten, musste ich immerhin weitere 1,4 Kilometer bis zum Ziel aushalten. Somit beendeten wir diese Wanderung mit vollen Bäuchen, strahlenden Frauchenaugen und freuen uns auf die nächsten einhundert Touren.

Werbung durch Ortsnennungen, die zu sehenden Marken unserer verwendeten Lebensmittel wurden von meinen Wurstverdienern und meinem Dackelkonto aus eigenen Mitteln erworben